Afrika 2017-2018


Durchs Oued Draa …

Das Oued Draa bildet nach heftigen Regenfällen mit 1100km den längsten Flusslauf Marokkos, ist aber hier im Süden normalerweise trocken. Wir wollen seinen letzten 200km in Richtung Westen zum Atlantik folgen. Die Piste schlängelt sich am ersten Tag fast 150km im bis zu 10km breiten Tal eingesäumt von zwei Bergketten hin und her, führt mal über Reg, Geröll und Schotter, mal durch lange sandige Passagen und über viel hart getrockneten Lehm.

Die wenigen Nomaden hier leben von der Kamelzucht und es ist gerade die Jahreszeit, zu der diese ihre Jungen haben. Es ist berührend, diesen erhabenen, urtümlichen Tieren, die in dieser unberührten Natur frei leben, zu begegnen.

Anderntags und nachdem das eigentliche Oued das Tal durch die nördliche Bergkette verlassen hat, fahren wir zuerst dem Tal entlang und gelangen dann über zwei abenteuerliche Bergwege, die wir erstmal zu Fuss erkunden, und zuletzt durch ein immer enger werdendes Flussbett bis auf einen Kilometer an den Flusslauf zurück. Dort ist Ende der Fahnenstange bzw. steht eine einzige Palme genau in der Mitte und die Motorsäge ist leider zu Hause geblieben.

So kommen wir zu einer weiteren herrlichen Nacht in den dem Oued nahe gelegenen Hügeln

und gelangen dann auf eher konventionellem Weg (sprich auf Strassen) beim schönen Camping-Hotel ‘Ksar Tafnidilt’ in der Nähe eines alten französischen Forts wieder ins Oued Draa.

… bis an den Atlantik

Nach einer vielseitigen Fahrt durch Sand und Schlamm entlang des Oued Draa erreichen wir nach einer letzten Querung des Oueds, das hier sogar Wasser führt, eine recht neue ‘Wellblechpiste’, die uns an seine breite Mündung am Atlantik führt, zum Cap Draa.

Der Weg nach Westen ist damit beendet und die Weiterfahrt führt nun der Küste entlang nach Süden. Die Szenerie hat sich komplett verändert: Die Ruhe der Wüste ist dem Getöse der Brandung gewichen, statt ganz allein auf Pisten fahren wir auf Strassen mit recht viel und vor allem Güter-Verkehr, die Ortschaften sind nicht mehr verschlafen, sondern lebendige Durchgangsstationen und es sind viele und grosse Camper unterwegs.

Nach einer Nacht irgendwo auf einer Nebenstrasse landen wir schon früh am Tag im Parc National de Khenifiss, einer riesigen Lagune meerseitig gesäumt von Dünen und landseitig von ziemlich ödem Flachland. Im dazwischen liegenden Brackwasser fahren die Fischer bei Flut raus um ihre Leinen zu platzieren und bei Ebbe ernähren sich diverse Vogelarten in den für Fische zu Fallen gewordenen Pfützen.

Wir stehen am Rand der Lagune und obwohl das hier ein freier Standplatz ist, ist auch dies anders als bisher: es gibt einen Parkwächter, der uns zum Tee einlädt, man bezahlt 20 Dirham pro Nacht, es gibt sogar Mülltonnen – man fragt sich jedoch wozu? – und gegen Abend stellen sich viele andere Camper, vor allem Franzosen, dazu.

Was hier an der Küste aber gleich ist, wie überall an der Grenze Marokkos, sind die in regelmässigem Abstand vorhandenen Militärposten. Viele davon sind eher improvisierte Behausungen und besetzt von Soldaten mit bescheidener Ausrüstung.

Nachtrag zu Khenifiss

Weil das Wetter schöner wurde und uns die langen Spaziergänge an der Lagune gut tun, bleiben wir hier noch einen Tag und gehen nochmals auf Vogelschau.

Übrigens ist das blaue, wie ein poppiges Kondom anmutende Ding nicht etwa ein solches oder sonst ein Abfallstück, sondern ein höchst interessantes Lebewesen der Gattung der Staatsquallen, eine ‘Physalia physalis’ oder zu deutsch eine Portugiesische Galeere.

Der Küste entlang in die Westsahara

Die Atlantikküste bis Foum el Oued ist geprägt von meilenweiten Sandstränden, aber ansonsten nicht sehr spektakulär. Ausser den Militärunterständen, die sich im Abstand von circa 5km aneinanderreihen und nach Aussagen der Soldaten da sind, um eine Invasion von den Kanarischen Inseln mit Zodiacs zu verhindern, gibt es bloss einige Salinen und Schiffswracks.

Der Mittagshalt in der sympathischen Stadt Tarfaya mit dem Besuch des ‘Musée Antoine de Saint Exupery’ ist eine interessante Abwechslung. Hier hatte der Flugpost-Pionier die Ideen für sein berühmtes Buch ‘Der kleine Prinz’. Mohamed der Wächter lässt übrigens ausrichten, dass er ‘sein’ Museum auch am Wochenende öffnet – Anruf genügt 😉

Das Überschreiten der künftigen Grenze zum längst überfälligen Sahraouistaat ‘Sahara Occidental’ ist, ohne zu wissen wo sie wäre, nicht feststellbar und unsere Übernachtung vor dem Gouverneurspalast in Foum el Oued eher eine Notlösung.

Von Foum el Oued nach Smara

Foum el Oued ist der Badeort der 25km entfernt im Landesinnern liegenden Stadt Laayoune (El Aaiun), die mit rund 200’000 Einwohnern die grösste Stadt der Westsahara ist und dereinst die Hauptstadt der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS) werden soll. Wir halten hier aber bloss zum Einkaufen und fahren zuerst in Richtung Bou Craa, wo das weltgrösste Abbaugebiet von Phosphat liegt, welches von hier über ein 100km langes Förderband an den Atlantik transportiert wird. Danach geht’s durch fast vegetationsloses Gebiet weit in den Osten nach Smara.

Smara ist das religiöse Zentrum der Sahraouis und die einzige nicht von Europäern gegründete, grössere Stadt der Westsahara. Sie macht einen properen, ruhigen und beschaulichen Eindruck, doch die grosse Militär- und Polizeipräsenz hat etwas Beklemmendes. Ein grosser Teil der heute etwa 60’000 Einwohner gehört den Sicherheitskräften der Besatzungsmacht Marokko an. Die Sahraouis machen nur noch einen knappen Fünftel aus und viele leben in den engen Barrios vor der Stadt.

Dennoch ist der Wille der Sahraouis zum Widerstand nicht gebrochen, wie wir bei einem Treffen mit AktivistInnen bei Sukeina Jidahlu deutlich spüren konnten. Und auf der Strasse oder gar mitten in der Wüste vermittelt ein clandestines V-Zeichen (‘Venceremos’) zum richtigen Zeitpunkt ein unausgesprochenes Einvernehmen und strahlende Gesichter.

Gravure rupestre Asli Boukarch

Ausserhalb von Smara auf einem unscheinbaren, für sich belassenen Felsstreifen nicht weit von der Strasse, befinden sich unzählige prähistorische Felsgravuren. Dank Waypoint aus dem Reiseführer findet man den Ort gut, doch weil hier in der Region kaum Touristen unterwegs sind, können wir die einzelnen Gravuren ganz allein für uns entdecken und interpretieren.

Demos in Smara

Sicher wöchentlich, oft sogar täglich, finden in Smara gewaltlos geplante Manifestationen für die Selbstbestimmung des Sahraouischen Volkes statt. Diese Bilder stammen von gestern (27. Januar) und wurden uns von Hamadi, einem Journalisten von Smara News gemailt. Sie zeigen Sukeina und wie die Polizei ihr die Sahraoui-Flagge entreissen will.

Aber vor allem die jungen Sahraouis werden nach jahrzehntelangem, gewaltfreiem Widerstand langsam ungeduldig. Mehr Informationen dazu gibt es unter Smara News.

The Swinging Chameau

Nachdem wir nochmals bei Sukeina vorbei gegangen sind und danach unsere Vorräte an Wasser und Diesel für die nächste Etappe unter Verwendung von Pet-Containern aufgestockt haben, verlassen wir die Stadt Smara auf der N14 und übernachten nach etwa 70km unweit der Strasse. Wir sind gespannt, was uns in den nächsten Tagen auf dem Weg nach Bir Anzarane südwestlich von hier erwartet. Die GPS-Tracks, die wir aus auf OSM-Karten gefundenen, dünn gestrichelten Linien ermittelten, zeigen, dass die Piste mehr als 400km durch menschenleeres und fast vegetationsloses Gebiet führt und gemäss den wenigen Infos auf dem Internet müssten wir im Süden auf eine alte Etappe der Dakar-Rallye stossen.

Wir stehen am nächsten Morgen früh auf und fahren erstmal ein schönes Stück offroad, bis wir das Trasse der eigentlichen Piste gefunden haben. Diese führt über sandiges, meist topfebenes Gelände, bedeckt mal mit Schotter, mal mit Geröll, mal mit Kies, oft aber mit gar nichts. Entsprechend ändert sich auch die Farbe der Umgebung grossflächig von weiss über grau und schwarz bis braun. Die Grasbüschel werden immer weniger und nur noch die zähen Akazien wachsen, einzeln oder als kleine Wäldchen in den Oueds.

Die flache Piste ist einfach und wir kommen gut vorwärts. Vor allem auf den langen sandigen Passagen können wir mit auf 60% reduziertem Reifendruck bequem und recht schnell fahren.

Aber warum bloss haben wir die Luft erst nach dem ersten heimtückischen Weichsandloch rausgelassen?

Als sich die Spuren der Piste nach und nach verlieren, kehren wir um und fahren zurück. Wir können uns an deutliche Spuren, die quer zu unserer Piste nach Nordwesten verlaufen, erinnern und wollen uns dort neu orientieren. Als wir in der Nähe der Kreuzung ankommen, können wir es kaum glauben, aber da kommt ein ‘Nomaden-Landy’ langsam anzuhötterln. So ein praktischer Zufall! Das einzige Fahrzeug auf 400km kreuzt uns gerade hier, ich erkundige mich nach dem Weg und der freundliche Sahraoui zeichnet für mich den Weg in den Sand. Als Susanne bemerkt, dass er ein junges Kamel und ein Lamm hinten drin hat, packt er die herzigen Tiere zum Fototermin kurzerhand aus.

Dank der Hilfe des Nomaden sind wir wieder auf Kurs und schon bald kreuzen wir die Dakar-Rallye-Route mit den riesigen Sandhaufen, die vom marokkanischen Militär als Markierungen für die Pistenraser aus Europa aufgehäuft wurden. Von hier ist es nun nicht mehr weit nach Bir Anzarane und auf die Strasse Richtung Dakhla.

Wind, windiger, Dakhla

Über Nacht ist er gekommen, der Wind – und er blieb, bis und mit Dakhla!

Die recht grosse Stadt liegt auf einer Landzunge, welche einen 40km langen und 10km breiten Golf einschliesst. Die Menschen hier leben vor allem vom Fischfang im offenen Atlantik, der ihnen jedoch von der grossen internationalen Fischindustrie immer mehr streitig gemacht wird. Der Golf dagegen ist weltweit bei Kitern wegen des steten Windes und bei europäischen Überwinterern trotz diesem und vor allem aufgrund der guten und billigen Versorgung und den freien Standplätzen sehr beliebt.

Ziel Mauretanien

Nach drei Tagen Dakhla geht es weiter: Ziel Mauretanien.

Die rund 350km lange Strasse führt durch faszinierend öde, manchmal wie eine riesige Baustelle anmutende Landschaft, doch es gibt kaum Verkehr und wir kommen schnell voran.

12km vor dem kleinen Ort Barbas gibt’s dann etwas Abwechslung: Am Strassenrand liegt ein mauretanisches Auto, das nach einem Schlagloch einen Platten erlitt und aus der Kurve flog. Das rechte Vorderrad war horizontal abgedreht und die Antriebswelle getriebeseitig herausgerissen. Für mich sah die Sache unrettbar aus, der Fahrer war aber anderer Meinung. Also holte ich den Wagenheber, die Sandbleche und einen Holzblock und half den Wagen hoch zu hieven und zu stabilisieren. Dann machte sich der Fahrer zielstrebig ans Werk und demontierte die ganze Radaufhängung. Irgendwie schien er das nicht zum ersten Mal zu machen, hatte erstaunlich viel Werkzeug dabei und schaffte es mit Turbanstoff und viel Fett das Gelenk der Antriebswelle wieder fest zu platzieren. Die Radaufhängung war zum Glück nicht gebrochen, sondern nur zwei grosse Schrauben, aber auch die hatte er dabei. Nachdem dann noch das Ersatzrad montiert war, zog ein weiterer Dazugestossener den Wagen wieder auf die Strasse. Irgendwo tropfte zwar Hydrauliköl, aber der Chlapf fuhr nach zweieinhalb Stunden tatsächlich wieder – Inshallah bis Nouadhibou 😕

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