Mauretanien


Ben Amira und Ben Aischa

Zu ihnen gelangt sind wir auf einer Piste, die 360km nahe der Eisenbahnlinie verläuft, auf welcher die längsten Züge der Welt verkehren. Die bis 2.5km langen Kombinationen transportieren das Eisenerz, welches in Zouérat im Norden Mauretaniens abgebaut wird, via Choum nach Nouadhibou ans Meer. Die zwei imposanten Monolithen mitten in der maurischen Wüste sind der Sage nach Mann und Frau.

Am Ben Aischa versammelten sich zur Milleniumswende eine Handvoll Bildhauer aus verschiedenen Ländern (u.a. Philippe Luyten, Belgien; Moussa Yira, Cote d’Ivoire; Lionel Schewuck; Barbara Falander, Polen; Paul Marandon, Frankreich; Siriki Ky, Burkina Faso; Sylvano Cattai, Italien; Jaja Schuerch, Amerika) und schufen eindrückliche Steinskulpturen, die jedoch in dieser gänzlich einsamen Gegend ein ziemlich unbeachtetes Dasein fristen.

Die wenigen Menschen denen man hier begegnet, die Militärs und neuerdings einige Goldsucher, interessieren sich jedenfalls für anderes.

Durch den Erg Maqteir nach El Ghallaouiya

Mit vollem Tank (100l), zusätzlichen Bidons mit Diesel (105l) und genügend Food für mehr als eine Woche verlassen wir Zouérat in Richtung Süden, und fassen bei der Quelle ‘V9’ noch viel viel Wasser. Am Checkpoint haben wir als Ziel den archäologischen Fundort ‘Azrag’ im Süden der Stadt angegeben und auf die Frage “et depuis” einfach die Stadt Atar. Damit gab sich der Gendarme, in der Meinung wir würden dann die Strasse nach Atar nehmen, zufrieden und wir lügen auch nicht. Also nichts wie weg und erstmal 20km über extrem steiniges Gelände zum Sebkah von Azrag, wo es ca. 10’000 Jahre alte, versteinerte Fussspuren von Menschen und Elefanten gibt.

Das eigentliche Ziel unserer Begierde liegt aber südöstlich des Sebkahs: Die Brunnen von El Ghallaouiya (Bir Zemran), hinter dem menschenleeren Erg Hammami und dem noch einsameren, riesigen Erg Maqteir. Vor uns liegen nun 350km spurlose Offroadfahrten über gefühlt endlose Sandgebiete und Dünenketten.

Nach vier Tagen Einsamkeit erreichen wir die Brunnen von El Ghallaouiya und übernachten in den Ruinen des alten französischen Forts. Wir haben das Glück, dass anderntags hier Nomaden eine Kamelherde mit ca. 300 Tieren zur Tränke führen.

Gravuren und Bifaces

Die prähistorische Zeit Afrikas ist genauso wie auch die Neuzeit ein Stiefkind der Forschung.

Zu den Gravuren im Canyon bei El Ghallaouiya gibt es deshalb nur spärliche Informationen. Die Darstellungen von Elefanten und Giraffen sind vermutlich vor ca. 6000 Jahren entstanden. Diejenigen von Rindern hingegen sind jünger und stammen von den ersten Tierzüchtern, die die Gegend vor etwa 4000 Jahren nach einer längeren Trockenzeit von Süden her besiedelten.

Um El Beyed, weniger als 100km westlich von El Ghallaouiya und am Nordrand des Guelb Er Richat (dem Auge Afrikas) gelegen, wurden an zwei Orten unzählige Artefakte (v.a. Werkzeuge sog. Bifaces) der Dhar Tichitt-Kultur aus dem Afrikanischen Neolithikum (vor ca. 3000 Jahren) gefunden. Der dort ansässige Yeslem Ould Bouailla trug seinerseits viele der Fundstücke zusammen und errichtete in einer Strohhütte ein kleines Museum.

Dem Adrar-Plateau entlang

Die 360km von El Ghallaouiya via El Beyed nach Atar fahren wir stets zwischen dem Südrand des Erg Maqteir und einer Falaise des Adrar-Plateaus wie in einem breiten Tal. Die Pisten sind abwechslungsreich, mal sandig, mal steinig, führen aber auch über schnell zu befahrende Sebkeths und Regebenen.

Während der letzten, abenteuerlichen 8 Tage und 730km von Zouérat quer durch den Erg Maqteir nach Südosten und dann diesem entlang nach Südwesten haben wir viel gesehen, aber nur sehr wenig Menschen. Wir freuen uns deshalb auf Atar, die sechst grösste Stadt Mauretaniens und Hauptort der Region Adrar. Trotz des geschäftigen Treibens ist die Atmosphäre hier entspannt und die Leute sind sehr freundlich und hilfsbereit, wie bis jetzt eigentlich überall in diesem Land. Wir freuen uns aber auch auf den sympathischen Camping ‘Bab Sahara’, dem Treffpunkt der wenigen ausländischen “Wüstenfahrer”.

Über den Tifoujar-Pass in den Erg Amatlich

Nach einigen Tagen in der Stadt und im ‘Bab Sahara’ haben wir aber genug vom lärmigen Treiben und sehnen uns wieder nach der Ruhe und der Weite der Wüste. Die nächsten vier Tage geht’s deshalb auf eine Rundtour durch die Berge des Adrars, über den Tifoujar-Pass  und durch die Dünen des Erg Amatlich. Nachdem wir uns von Serge und Betty verabschiedet haben, sind wir seit langem das erste mal wieder alleine unterwegs und wir geniessen die entsprechende Unabhängigkeit.

Bei und in Atar

Etwas südlich von Atar gibt es im Oued Seguelil seit kurzem eine Barrage, zu der man von der N1 auf einer kurzen Piste hinfahren kann. Wir stellen uns oben am Rand der Falaise in die schwarzen Felsen, von wo man einen schönen Blick auf das Oued und den Stausee hat. Im Moment gibt es hier zwar nicht besonders viel Wasser, zwei verlassene Siedlungen zeugen aber von einem potentiell höheren Wasserstand. Dem Achat gefällt es aber auch so …

Da wir unseren Aufenthalt in Mauretanien ausdehnen wollen, müssen wir anderntags nochmals nach Atar. Jeden Samstag morgen kommt hier nämlich ein Flugzeug aus Paris an und genau dann kommt man im Zollbüro am Flughafen problemlos zu neuen Visa. Bei einer Agentur in der Stadt haben wir danach auch noch schnell die Versicherung für das Auto verlängert, doch beim Passe-Avant hapert es. Der zuständige Zollbeamte arbeitet erst am Montag wieder und das Papier wird nur in Nouakchott ausgestellt. Also müssen wir noch einige Tage im ‘Bab Sahara’ darauf warten.

Passe-Avant et al

Für die temporäre Einfuhr bzw. Inverkehrssetzung unseres Fahrzeugs brauchen wir hier in Afrika jeweils ein länderspezifisches Dokument der Zollbehörden oder einen Stempel im ‘Carnet de Passage en Douane’ (CPD), für welches wir beim TCS eine Kaution hinterlegen mussten. Hier in Mauretanien ist es ein sogenanntes Passe-Avant, welches leider bloss 30 Tage gültig ist und bald abläuft.
Beim zweiten Anlauf beim Zoll in Atar, haben wir Glück und treffen den Douanier Abdellahi, der uns weiterhilft. Weil er selber keine Verlängerung ausstellen darf, macht er ein Foto des alten Passe-Avants, schickt dieses per Whatsapp nach Nouakchott in die Zollverwaltung und druckt anderntags das verlängerte, das er auch wieder als Foto erhalten hat, irgendwo für uns aus.

Nachdem wir nun alle Dokumente für einen weiteren Monat in Mauretanien haben, ergänzen wir unsere Vorräte, füllen Tanks und Bidons auf und fahren wieder zur nahegelegenen Barrage im Oued Seguelil, wo wir erstmal drei gemütliche und auch für Achat herrliche Tage am einsamen See verbringen, bevor wir uns in Richtung Nouakchott, der Hauptstadt Mauretaniens, aufmachen.

Via Aoujeft ins Oued Hnouk

Auf dem Weg nach Aoujeft auf dem Adrar-Plateau, wächst der ohnehin schon starke Wind zu einem veritablen Sandsturm heran. Das scheint hier oft so zu sein, denn die neue Teerstrasse ist bereits an vielen Stellen von recht grossen Dünen fast blockiert. Entgegenkommende Militärkonvois haben damit ihre liebe Mühe und versenken ihre Landcruisers gleich reihenweise.

Etwa 25km nach Aoujeft fällt die Strasse vom Plateau ab und quert das breite Oued Timinit. Wir reduzieren den Reifendruck auf 2 bar und verlassen die Teerstrasse ins weichsandige Oued. Wegen dem Sandsturm ist die Orientierung schwierig und schon nach wenigen Kilometern versenke ich den Sprinter aufgrund einer Fehlentscheidung komplett. Wir haben über eine Stunde, um ihn frei zu bekommen, fahren dann aber mit nur 1 bar Druck recht locker weiter.

Im abgelegenen, kleinen Ort Ouagchogga, dem letzten Ort für die nächsten 400km, sind wir über das Angebot im kleinen Dorfladen genauso erstaunt, wie die Besitzerin dann über unseren Einkauf. Nach einer kurzen, aber heftigen Passage über Felsen, erreichen wir jedenfalls mit zwei tiefgefrorenen Yogidrinks das Tagesziel, den imposanten Canyon am Ende des Oued Hnouk, wo wir dann einen fast windstillen Platz für die Nacht finden.

Vom Hnouk Canyon nach Nouakchott

Aus dem Oued Hnouk machen wir uns dazu auf, den grossen Erg Amatlich in Richtung Südwesten nach Nouakchott zu durchqueren. Was uns auf den kommenden ca. 350km erwartet, wissen wir nicht wirklich. Wir haben zwar einen alten GPS-Track, aber nur vage Infos zur kaum befahrenen Route. So werden die nächsten drei Tage recht spannend und intensiv. Die Vielfalt der Landschaft und der Beschaffenheit des Geländes überrascht uns und die Anforderungen an die Orientierung sind immer wieder herausfordernd.

Ein Brunnen unterwegs: Eine solarbetriebene Tauchpumpe fördert das Grundwasser aus etwa 5m Tiefe an die Oberfläche.

Ansonsten sind einige Nomaden, die verlassene Mine bei Bou Naga, Autowracks und eine künstliche, fast schon absurde Privat-Oase die wenigen Zeugen menschlichen Daseins auf mehr als dreihundert einsamen Kilometern …

Die letzten weichsandigen 60km kurvt Susan elegant zwischen den Büschen über die sich endlos dahinziehenden kleinen Dünen bis wir dann ziemlich abrupt auf der Route de l’Espoir landen. Nach weiteren 70km auf der Teerstrasse kommen wir dann in der Millionenstadt Nouakchott an.

Nouakchott

Genau zur Mittagszeit erreichen wir die Hauptstadt der Mauren und arbeiten uns durch den chaotischen Verkehr. Am nächsten Morgen gehen wir zur Botschaft von Mali und erhalten dort recht schnell und unkompliziert unsere Visa.
Uns bleibt also genug Zeit auch gerade noch bei der Algerischen Botschaft vorbei zu gehen. Die Grenze zwischen Mauretanien und Algerien bei Tindouf ist seit August 2018 nach langer Zeit wieder offen. Wir sind aber die ersten westlichen Touristen, die von hier aus nach Algerien fahren wollen, sodass die Leute auf der Botschaft erstmal erstaunt sind. Wir werden aber sehr nett empfangen, können dank der Einladung der Polisario die Visaanträge stellen und es wird uns gesagt, dass der Sache eigentlich nichts im Weg stehe.

In der Hoffnung die Visa schon bald zu erhalten, entschliessen wir uns noch einige Tage in Nouakchott darauf zu warten. So müssten wir auf der Rückreise nicht nochmals hier vorbei kommen. Bei Hadj auf dem Camping ‘Tergit Vacances’ direkt am Meer lässt es sich auch aushalten. Achat geniesst es in den Wellen und im Sand und die Abkühlung abends ist angenehm. Nicht weit neben dem Badestrand, wo wir mitkriegen, was Mauren so in ihrer Freizeit tun, befindet sich der Pirogenhafen und pulsiert das harte und schmutzige Leben rund um die Fischerei.

Nächste Seite