Westsahara


Der Küste entlang in die Westsahara

Die Atlantikküste bis Foum el Oued ist geprägt von meilenweiten Sandstränden, aber ansonsten nicht sehr spektakulär. Ausser den Militärunterständen, die sich im Abstand von circa 5km aneinanderreihen und nach Aussagen der Soldaten da sind, um eine Invasion von den Kanarischen Inseln mit Zodiacs zu verhindern, gibt es bloss einige Salinen und Schiffswracks.

Der Mittagshalt in der sympathischen Stadt Tarfaya mit dem Besuch des ‘Musée Antoine de Saint Exupery’ ist eine interessante Abwechslung. Hier hatte der Flugpost-Pionier die Ideen für sein berühmtes Buch ‘Der kleine Prinz’. Mohamed der Wächter lässt übrigens ausrichten, dass er ‘sein’ Museum auch am Wochenende öffnet – Anruf genügt 😉

Das Überschreiten der künftigen Grenze zum längst überfälligen Sahraouistaat ‘Sahara Occidental’ ist, ohne zu wissen wo sie wäre, nicht feststellbar und unsere Übernachtung vor dem Gouverneurspalast in Foum el Oued eher eine Notlösung.

Von Foum el Oued nach Smara

Foum el Oued ist der Badeort der 25km entfernt im Landesinnern liegenden Stadt Laayoune (El Aaiun), die mit rund 200’000 Einwohnern die grösste Stadt der Westsahara ist und dereinst die Hauptstadt der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS) werden soll. Wir halten hier aber bloss zum Einkaufen und fahren zuerst in Richtung Bou Craa, wo das weltgrösste Abbaugebiet von Phosphat liegt, welches von hier über ein 100km langes Förderband an den Atlantik transportiert wird. Danach geht’s durch fast vegetationsloses Gebiet weit in den Osten nach Smara.

Smara ist das religiöse Zentrum der Sahraouis und die einzige nicht von Europäern gegründete, grössere Stadt der Westsahara. Sie macht einen properen, ruhigen und beschaulichen Eindruck, doch die grosse Militär- und Polizeipräsenz hat etwas Beklemmendes. Ein grosser Teil der heute etwa 60’000 Einwohner gehört den Sicherheitskräften der Besatzungsmacht Marokko an. Die Sahraouis machen nur noch einen knappen Fünftel aus und viele leben in den engen Barrios vor der Stadt.

Dennoch ist der Wille der Sahraouis zum Widerstand nicht gebrochen, wie wir bei einem Treffen mit AktivistInnen bei Sukeina Jidahlu deutlich spüren konnten. Und auf der Strasse oder gar mitten in der Wüste vermittelt ein clandestines V-Zeichen (‘Venceremos’) zum richtigen Zeitpunkt ein unausgesprochenes Einvernehmen und strahlende Gesichter.

Gravure rupestre Asli Boukarch

Ausserhalb von Smara auf einem unscheinbaren, für sich belassenen Felsstreifen nicht weit von der Strasse, befinden sich unzählige prähistorische Felsgravuren. Dank Waypoint aus dem Reiseführer findet man den Ort gut, doch weil hier in der Region kaum Touristen unterwegs sind, können wir die einzelnen Gravuren ganz allein für uns entdecken und interpretieren.

Demos in Smara

Sicher wöchentlich, oft sogar täglich, finden in Smara gewaltlos geplante Manifestationen für die Selbstbestimmung des Sahraouischen Volkes statt. Diese Bilder stammen von gestern (27. Januar) und wurden uns von Hamadi, einem Journalisten von Smara News gemailt. Sie zeigen Sukeina und wie die Polizei ihr die Sahraoui-Flagge entreissen will.

Aber vor allem die jungen Sahraouis werden nach jahrzehntelangem, gewaltfreiem Widerstand langsam ungeduldig. Mehr Informationen dazu gibt es unter Smara News.

The Swinging Chameau

Nachdem wir nochmals bei Sukeina vorbei gegangen sind und danach unsere Vorräte an Wasser und Diesel für die nächste Etappe unter Verwendung von Pet-Containern aufgestockt haben, verlassen wir die Stadt Smara auf der N14 und übernachten nach etwa 70km unweit der Strasse. Wir sind gespannt, was uns in den nächsten Tagen auf dem Weg nach Bir Anzarane südwestlich von hier erwartet. Die GPS-Tracks, die wir aus auf OSM-Karten gefundenen, dünn gestrichelten Linien ermittelten, zeigen, dass die Piste mehr als 400km durch menschenleeres und fast vegetationsloses Gebiet führt und gemäss den wenigen Infos auf dem Internet müssten wir im Süden auf eine alte Etappe der Dakar-Rallye stossen.

Wir stehen am nächsten Morgen früh auf und fahren erstmal ein schönes Stück offroad, bis wir das Trasse der eigentlichen Piste gefunden haben. Diese führt über sandiges, meist topfebenes Gelände, bedeckt mal mit Schotter, mal mit Geröll, mal mit Kies, oft aber mit gar nichts. Entsprechend ändert sich auch die Farbe der Umgebung grossflächig von weiss über grau und schwarz bis braun. Die Grasbüschel werden immer weniger und nur noch die zähen Akazien wachsen, einzeln oder als kleine Wäldchen in den Oueds.

Die flache Piste ist einfach und wir kommen gut vorwärts. Vor allem auf den langen sandigen Passagen können wir mit auf 60% reduziertem Reifendruck bequem und recht schnell fahren.

Aber warum bloss haben wir die Luft erst nach dem ersten heimtückischen Weichsandloch rausgelassen?

Als sich die Spuren der Piste nach und nach verlieren, kehren wir um und fahren zurück. Wir können uns an deutliche Spuren, die quer zu unserer Piste nach Nordwesten verlaufen, erinnern und wollen uns dort neu orientieren. Als wir in der Nähe der Kreuzung ankommen, können wir es kaum glauben, aber da kommt ein ‘Nomaden-Landy’ langsam anzuhötterln. So ein praktischer Zufall! Das einzige Fahrzeug auf 400km kreuzt uns gerade hier, ich erkundige mich nach dem Weg und der freundliche Sahraoui zeichnet für mich den Weg in den Sand. Als Susanne bemerkt, dass er ein junges Kamel und ein Lamm hinten drin hat, packt er die herzigen Tiere zum Fototermin kurzerhand aus.

Dank der Hilfe des Nomaden sind wir wieder auf Kurs und schon bald kreuzen wir die Dakar-Rallye-Route mit den riesigen Sandhaufen, die vom marokkanischen Militär als Markierungen für die Pistenraser aus Europa aufgehäuft wurden. Von hier ist es nun nicht mehr weit nach Bir Anzarane und auf die Strasse Richtung Dakhla.

Wind, windiger, Dakhla

Über Nacht ist er gekommen, der Wind – und er blieb, bis und mit Dakhla!

Die recht grosse Stadt liegt auf einer Landzunge, welche einen 40km langen und 10km breiten Golf einschliesst. Die Menschen hier leben vor allem vom Fischfang im offenen Atlantik, der ihnen jedoch von der grossen internationalen Fischindustrie immer mehr streitig gemacht wird. Der Golf dagegen ist weltweit bei Kitern wegen des steten Windes und bei europäischen Überwinterern trotz diesem und vor allem aufgrund der guten und billigen Versorgung und den freien Standplätzen sehr beliebt.

Ziel Mauretanien

Nach drei Tagen Dakhla geht es weiter: Ziel Mauretanien.

Die rund 350km lange Strasse führt durch faszinierend öde, manchmal wie eine riesige Baustelle anmutende Landschaft, doch es gibt kaum Verkehr und wir kommen schnell voran.

12km vor dem kleinen Ort Barbas gibt’s dann etwas Abwechslung: Am Strassenrand liegt ein mauretanisches Auto, das nach einem Schlagloch einen Platten erlitt und aus der Kurve flog. Das rechte Vorderrad war horizontal abgedreht und die Antriebswelle getriebeseitig herausgerissen. Für mich sah die Sache unrettbar aus, der Fahrer war aber anderer Meinung. Also holte ich den Wagenheber, die Sandbleche und einen Holzblock und half den Wagen hoch zu hieven und zu stabilisieren. Dann machte sich der Fahrer zielstrebig ans Werk und demontierte die ganze Radaufhängung. Irgendwie schien er das nicht zum ersten Mal zu machen, hatte erstaunlich viel Werkzeug dabei und schaffte es mit Turbanstoff und viel Fett das Gelenk der Antriebswelle wieder fest zu platzieren. Die Radaufhängung war zum Glück nicht gebrochen, sondern nur zwei grosse Schrauben, aber auch die hatte er dabei. Nachdem dann noch das Ersatzrad montiert war, zog ein weiterer Dazugestossener den Wagen wieder auf die Strasse. Irgendwo tropfte zwar Hydrauliköl, aber der Chlapf fuhr nach zweieinhalb Stunden tatsächlich wieder – Inshallah bis Nouadhibou 😕

Grenzerfahrung

Ausreise Marokko

  • vor dem Grenzareal zwischen Lastwagen warten, warten, warten, …
  • Anweisung aufzuschliessen, obwohl dann kein Lastwagen mehr durchkommt
  • Zusammenschiss, weil kein Lastwagen mehr durchkommt
  • Tor zum Grenzareal wird für jeden einzeln geöffnet, nun für uns
  • Anweisung im Grenzareal 100m weiter vorne zu parken
  • und jetzt? … aha: 100m zurück laufen zur Police zur Passkontrolle
  • etwas weiterfahren und warten …
  • und jetzt? … aha: zum kleinen Gebäude 100m vorne rechts laufen und beide Auto-Zolldokumente registrieren lassen
  • zum Scannerhangar fahren und eines der Zolldokumente abgeben
  • Einfahrt in den Scannerhangar, zusammen mit zwei französischen Camper
  • alle Personen raus aus dem Hangar, Scanner fährt über die drei Fahrzeuge
  • Ausfahrt aus den Scannerhangar auf einen Parkplatz zur Zollkontrolle
  • Zöllner will die zwei Auto-Zolldokumente, aber das abgegebene haben wir nicht zurückbekommen
  • Zeugen wissen, dass ein Beamter im Scannerhangar die Dokumente wieder herausgegeben hat, aber alle inkl. unseres vermutlich den Franzosen
  • einer der Franzosen sollte es also haben, es taucht aber nicht auf
  • gehe zurück in den Hangar und die Beamten dort schreiben etwas auf das dritte Exemplar, mit welchem ich dann wie vorgesehen im Zollbüro den ersehnten Stempel erhalten sollte
  • werde aber noch darüber belehrt, dass ich das andere Dokument nicht hätte verlieren sollen
  • werde wütend und habe Streit mit dem Beamten X
  • gehe die 300m zurück zum Zollbüro
  • Beamter dort stellt sich stur und sagt, ich bräuchte beide Dokumente
  • gehe entnervt die 300m zum Parkplatz der Zollkontrolle zurück
  • X taucht auf und kann sich nun irgendwie doch noch an unser Dokument erinnern
  • X und der vom Zoll wollen, dass die Franzosen nochmals nachschauen, ob sie es haben
  • einer der Franzosen nervt sich und stellt sich stur
  • plötzlich hatte aber genau der Franzose das Papier dann doch in den Händen … es war in seinem Hosensack!
  • X wird stinksauer, scheisst den Franzosen zusammen und beschuldigt ihn, ein Saboteur zu sein, das alles extra gemacht zu haben
  • ich gehe wieder die 300m zurück zum Zollbüro und der Beamte stempelt mir das Papier ab, findet aber “hast du es also doch noch gefunden” – ich kann mich beherrschen – grrr…
  • wieder zurück beim Zoll-Parkplatz taucht X auf und entschuldigt sich bei mir (sehr sympathisch)
  • 100m weiter mit dem Auto, wieder eine Barriere mit Beamtem in Häuschen, warten …
  • steige aus und erfahre, dass hier die Pässe für die Passkontrolle bei der Gendarmerie registriert werden müssen, warten …
  • Pässe werden registriert
  • 50m weiter vorne Passkontrolle bei der Gendarmerie: Pässe abgeben und was wohl: warten …
  • Zusammenschiss, weil mein Auto im Weg stehe
  • Zusammenschiss, weil ich es über irgendeine unsichtbare Linie zu weit nach vorn stelle
  • werde wütend, schimpfe laut vor mich hin: ‘che cazzo’ ecetera …
  • werde zurück bei der Gendarmerie von einem amüsierten Italiener freudig angesprochen
  • werde mit ‘Stephan’ aufgerufen und kriege die Pässe über diverse Köpfe hinweg mit Ausreisestempel zurück
  • zurück zum Auto, steige ein und fahre los
  • Pfiffe? – oha, da sind nochmal zwei Beamte, die wollen den gestempelten Pass auch sehen
  • nach mehr als drei Stunden dürfen wir endlich Marokko verlassen und keiner hat je einen Blick ins Auto geworfen

 
Sahara Libre

  • 4km von den Marokkanern kürzlich illegal asphaltierte Strasse
  • Autowracks, Müll, gestrandete Menschen, …
  • 1km übelste Piste über Steinplatten und durch Sand, zwischen Minen hindurch

 
Einreise Mauretanien

  • Einfahrt durch ein gemauertes Tor auf das sandige Grenzareal
  • sind sofort im Visir von ‘Helfern’, Geldwechslern und SIM-Karten-Verkäufer
  • die Helfer sagen wir sollten rechts parken, wir parken links
  • gehen links ins Büro der Gendarmerie: persönliche Daten werden erfasst und genaue Reiseroute erfragt
  • etwas weiter vorne, nochmals links, geht’s ins Visabüro: Fotos mit Webcam und elektronische Fingerabdrücke für biometrische Visa (30 Tage gültig, 2x 55 Euro)
  • wieder draussen, wechseln wir Euros gegen Ouguiyas und kaufen eine SIM
  • fahren weiter und durch ein nicht abgesperrtes Tor auf einen harten Platz
  • aber oha, Pfiffe und Schreie? – das war zu weit, also zurück und rechts im Sand parken
  • gehen rechts ins Zollbüro, um eine ‘Soumission pour Autorisation de Circuler de Vehicule Etranger’ auszufüllen und zu unterschreiben (30 Tage gültig, das konnte ich selber frei eingetragen, 100 Dirham)
  • fahren wieder zum Tor, wo nun auch ein Polizist vor einem Kettchen sitzt
  • der kommt zum Auto und sagt: ‘donne moi cadeau’
  • ich erkläre ihm, dass ich Mitglied einer europäischen Anti-Korruptionskommission sei
  • er erklärt mir ausschweifend, dass man ja wohl mal einen Freund nach einem Cadeau fragen darf
  • ich erkläre ihm, dass er ja gar nicht mein Freund sei
  • er öffnet das Kettchen, wir fahren durchs Tor und sind in Mauretanien
  • sofort links parken und obligatrische Haftpflichversicherung abschliessen (30 Tage gültig, 40 Euro)
  • nach anderthalb Stunden geht’s nun auf Asphalt weiter nach Nouadhibou und auch hier hat sich keiner für unser Auto bzw. dessen Inhalt interessiert